25 Jahre Wende - Ansprache an die SVV Brandenburg an der Havel von Dr. Thomas Götze

Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete, sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, sehr geehrte Vertreter der Medien und Gäste der Öffentlichkeit, lassen Sie mich mit einem kurzen Erinnerungssplitter beginnen: Meine Frau und ich, wir hatten abends meine Eltern benachrichtigt, dass wir mit dem Rad einen wichtigen Besuch machen wollen und im Falle wir uns bis um 22 Uhr nicht zurückgemeldet haben würden, sie sich bitte am Morgen um unsere 3 Kinder kümmern mögen. Das war Ende September 1989, wir fuhren zu Jan Herrmann ins Pflegerdorf, um den „Aufruf 89“ des Neuen Forums zu unterschreiben und mussten schlimmstenfalls mit einer kurzweiligen Verhaftung rechnen. Im Pflegerdorf standen etliche Polizeiautos mit abgeblendeten Scheinwerfern und beobachteten den Personenverkehr zu dieser Adresse. Nach der Unterschriftsleistung fuhren wir (außer von den Scheinwerfern) unbehelligt wieder nach Hause.

29.10.14 –

Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung,
sehr geehrte Vertreter der Medien und Gäste der Öffentlichkeit,

lassen Sie mich mit einem kurzen Erinnerungssplitter beginnen:
Meine Frau und ich, wir hatten abends meine Eltern benachrichtigt, dass wir mit dem Rad einen wichtigen Besuch machen wollen und im Falle wir uns bis um 22 Uhr nicht zurückgemeldet haben würden, sie sich bitte am Morgen um unsere 3 Kinder kümmern mögen. Das war Ende September 1989, wir fuhren zu Jan Herrmann ins Pflegerdorf, um den „Aufruf 89“ des Neuen Forums zu unterschreiben und mussten schlimmstenfalls mit einer kurzweiligen Verhaftung rechnen. Im Pflegerdorf standen etliche Polizeiautos mit abgeblendeten Scheinwerfern und beobachteten den Personenverkehr zu dieser Adresse. Nach der Unterschriftsleistung fuhren wir (außer von den Scheinwerfern) unbehelligt wieder nach Hause.

Was ich damals noch recht mutig fand, ist im Rückblick ein kleines Zeichen gewesen. Ich gehörte nicht zu den Schlüsselfiguren der „Brandenburger Wende“. Andere haben eher und weit mehr Mut aufgebracht, vielleicht nicht ihr Leben, aber oftmals ihren Bildungsweg oder ihre berufliche Existenz in die Waagschale (besser Wagnisschale) geworfen. Vor denen verneige ich mich hier und immer wieder mit großem Respekt.

Heute rede ich aus dem Blickwinkel eines Gewinners nach der Wende zu Ihnen. Aber ich rede auch zu Gewinnern, denn allen blieb dank der friedlichen Wende das Befürchtete erspart, den Vorauseilenden die Konsequenzen eines Rückfalls (wie 1956 oder 1968 in anderen Warschauer Packtstaaten geschehen) und den Systemrepräsentanten eine in der Geschichte oftmals härter ausgefallene Entmachtung.

Diesen dankbaren und fröhlichen Blick möchte ich zurück, auf die Gegenwart und nach vorn richten und 3 (mir wichtige) Impulse geben:

1: Demokratie und Verwaltung – ein Verhältnis mit bleibendem Klärungsbedarf

In den ersten Sitzungen baute sich alsbald ein Konflikt zwischen dem frischen Gestaltungswillen der neuen Abgeordneten und der immer noch oder bereits wieder etablierten Verwaltung auf. Zu dem ohnehin engen Entscheidungsraum in der Kommunalpolitik kamen ständig die Belehrungen (insb. des Rechtsamtes), was alles nicht geht! (Die Zeit der Belehrungen hatten wir gerade hinter uns!) Natürlich mussten sich die Abgeordneten über ihre begrenzten Entscheidungsbefugnisse klar werden, aber oft waren die Umsetzungsspielräume der Verwaltung weit größer, als die Mitarbeiter annahmen oder behaupteten.

Ich denke, die Einhaltung der kommunalpolitischen Rangfolge bei der Gestaltung, ist eine Daueraufgabe geblieben. Nach wie vor ist die Verwaltung Dienstleisterin. Sie ist dazu da, den berechtigten, mehrheitlich beschlossenen Willen der SVV zu akzeptieren und nach Möglichkeiten zu suchen, diesen rechtskonform umzusetzen. Stadtverordnete sind nicht Störenfriede der gewohnten, verwaltungstechnischen Abläufe, sondern Beauftragte für Ideen, Ziele, Leitlinien und Visionen.

2: Die friedliche Revolution und die fehlende Befriedung danach

Die nach 1989 folgerichtig entstandene Diskussion, wer in der vormaligen Diktatur auf welcher Seite gestanden hat, wird kaum noch geführt, umgangen oder abgelehnt.

Der Gesprächsbedarf darüber bleibt jedoch, solange jene leben, die betroffen waren und auch jene, die zu dieser Bedrängnis in irgendeiner Weise beitrugen – wissend oder unwissend (ich erinnere an die Ödipus-Sage). Die Anwendung des Stasiunterlagengesetzes trifft in diesem Kontext nur einen kleinen Teil der Gesellschaft.

Im vergangenen Jahr gab es von einer Partei die Initiative, eine unabhängige überparteiliche Kommission zu bilden, vor der sich „belastete“ Personen mit DDR-Vergangenheit aussprechen und erklären durften. Da ich dieser Kommission angehörte, möchte ich die positiven Erfahrungen einer solchen Aufarbeitung direkt weitergeben. Die Kommission stiftete eine Atmosphäre christlicher Besonnenheit mit dem Grundgedanken, dass jeder Mensch von bewusster, unbewusster oder auch unterstellter Schuld entlastet werden kann. Wenn das eigene Verhalten reflektiert wird, kann es auch vergeben werden. Ein Schlussstrich unter die alten Verstrickungen zu ziehen, kann selbst nach 25 Jahren sehr befreiend sein. Die Mitglieder der Kommission waren und sind bereit, allen Bürgern Brandenburgs im Bedarfsfall ein solches entlastendes Forum weiterhin anzubieten.

3: Qualifizierte statt quantifizierte Kommunalpolitik

Das Diskussions- und Abstimmungsklima in den SVV-Sitzungen der ersten 2 Jahre waren Demokratieerlebnisse in Reinkultur. Geworben und argumentiert wurde um der Sache willen, unabhängig von denen, die den Antrag einbrachten. Und wenn es dann nach angemessenem Pro und Kontra zur Abstimmung kam, waren die Stimmen quer durch den Saal verteilt. Es war völlig normal, dass Mehrheiten bunt gemischt zustande kamen, Fraktionszwang? - ein Fremdwort und abends wurden die Ergebnisse beim Bier im Ratskeller weiter ausgewertet. Der stärker werdende landes- und bundespolitische Parteieneinfluss hat diese offene und freie Atmosphäre der Disputation alsbald eingeschränkt.

Heute darf durchaus wieder gefragt werden, ob sich die Abgeordneten den vorherrschenden, oft rigiden Zwängen unterwerfen müssen. Die Wähler haben 46 Köpfe gewählt, nicht Fraktionen. 46 Köpfe, denen zugetraut wird, die Belange der Stadt mit Geschick und Kreativität zu gestalten. Es wird viel Potenzial verschenkt, wenn immer zuerst bedacht wird, wer welchen Antrag eingebracht hat und ob ihr/ihm das von der Fraktionsstärke überhaupt zusteht.

Zusammenfassend möchte ich folgendes Plädoyer abgeben:

In der Kommunalpolitik sollte klar sein, dass die Abgeordneten bei allen Veränderungs- und Gestaltungsprozessen die Richtung vorgeben. Die Verwaltungsmitarbeiter sind dabei unerlässliche, fachliche Dienstleister und Berater.

Zum guten Stadtklima trüge bei, wenn selbst 25 Jahre nach der DDR-Diktatur die alten Abhängigkeiten und Muster politischer Verstrickungen aufgearbeitet werden würden.

Ein Wahlmandat ist ein personenbezogener Vertrauensvorschuss der Bürger. Jeder Abgeordnete sollte sich ggf. die nötige Freiheit nehmen dürfen. Heute gehört dazu schon wieder Mut – den wünsche ich Ihnen!

Es war mir eine Ehre, hier reden zu dürfen.

Dr. Thomas Götze (Stadtverordneter des Neuen Forums in der ersten Wahlperiode)

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